In Konkurrenz

zu Osram




Au! Sie tun mir weh! Bitte fassen Sie meinen Flügel nicht so derb an! Sie dürfen mich schon in der Hand behalten, wenn Sie mich nur nicht zerdrücken, und bitte, lassen Sie mich dann wieder frei. Dafür erzähle ich Ihnen ein bißchen – einverstanden?



Es war nicht schwer für Sie, mich an diesem warmen Juniabend zu fangen, nicht wahr? In der Dunkelheit konnten Sie uns alle gut fliegen sehen. Tagsüber hätten Sie uns kaum registriert. Da sind wir für Sie ja auch nicht interessant - stimmt's? Ja, ich weiß, es ist unser Leuchten, das Sie so fasziniert. Wenn Sie mich einmal ganz vorsichtig umdrehen, sehen Sie die beiden grün-gelblichen Leuchtpunkte auf meiner Bauchseite. Deshalb nehmen Sie unser Licht nur wahr, wenn wir über Ihnen fliegen. Doch jetzt drehen Sie mich bitte wieder um. Au! Seien Sie doch vorsichtig! Ich bin nun einmal nicht größer als zehn Millimeter. Sie dürfen mich mit Ihren klobigen Fingern nur ganz zart antippen, wenn Sie mich nicht zerquetschen wollen.



Nun schalten Sie einmal Ihre Taschenlampe an und besehen mich bei Licht. Übrigens, wenn Sie jetzt in Südamerika wären und einen meiner Verwandten, den Cucuju, auf Ihre Hand neben mich legen würden, könnten Sie Ihr Ungetüm von Taschenlampe ruhig wieder wegstecken. Das Licht meines Verwandten ist so hell, daß Sie ihn und mich in Ruhe betrachten könnten. Darum sperren manche Leute dort die Cucujus in kleine Käfige und benutzen sie als Laterne.



Technisch unerreichte Lichtausbeute

Ich bin zwar ein kleiner unscheinbarer Käfer und doch ein Wunder aus der Werkstatt Gottes. Glühwürmchen (Lampyris und Phausis) nennt man mich oder auch Kleines Johanniswürmchen. Eigentlich ist das eine falsche Bezeichnung, denn ich bin weder ein Würmchen noch glühe ich. Ich erzeuge nämlich „kaltes“ Licht. Bei diesem Verfahren der sogenannten Biolumineszenz entsteht nämlich keinerlei Wärme. Das ist ja gerade das Staunenswerte, das Ihre Techniker bis jetzt noch nicht nachbilden konnten. Eine normale Glühlampe bei Ihnen setzt höchstens 4 % der zugeführten Energie in Licht um, und selbst eine Leuchtstoffröhre kommt maximal auf 10 %. Der große Rest wird durch Wärmeumsatz vergeudet. Sie müssen schon zugeben: Ihre Lampen sind mehr Öfen denn Leuchten. Doch bei mir hat der Schöpfer die bestmögliche Umsetzung von Energie in Licht verwirklicht, d.h. 100 % der zugeführten Energie wird in Licht umgewandelt. Besser geht es wirklich nicht.



Nun sehen Sie sich auch noch meinen Halsschild an. Er schützt meinen Kopf besser als der Sturzhelm einen Motorradfahrer. Außerdem hat mein Schöpfer das feste Material so gestaltet, daß es vor meinen Augen - aber auch nur dort - durchsichtig ist. So kann ich durch diese Fenster die Welt betrachten.



So, und nun machen Sie bitte Ihre Funzel wieder aus. Das andere kann ich Ihnen im Dunkeln erzählen. Sehen Sie die vielen Lichtpünktchen dort überall im Gras? Das sind unsere Weibchen. Sie können nicht fliegen. Zur Paarungszeit kriechen sie auf hochragende Grashalme. Sobald ein Männchen sich nähert, streckt das Weibchen den Hinterleib mit Leuchtorgan hoch empor. So ist das grün-gelbliche Licht weithin sichtbar, und das Männchen kommt zur Paarung.



Zu meinen Verwandten - davon habe ich übrigens mehr als 2000 verschiedene - gehört auch der sogenannte Schwarze Leuchtkäfer (Photinus pyralis). In seiner Familie verständigen sich Männchen und Weibchen mit Hilfe von Lichtblitzen. Einer dieser Blitze dauert nur sechs Hundertstel Sekunden. Bemerkenswerterweise senden die Männchen in exaktem Abstand von 5,7 Sekunden einen Lichtblitz, und die Weibchen antworten im entsprechenden Rhythmus, aber 2,1 Sekunden später. Wie sie das Licht so schnell an- und ausschalten, weiß bis heute niemand.



Im Sommer legt mein Weibchen die Eier an feuchte Stellen unter dem Laub. Daraus entwickeln sich zunächst halbwüchsige Larven. Sie überwintern an der gleichen Stelle, verpuppen sich im nächsten Frühling und schlüpfen dann als Glühwürmchen aus.



Zu unseren Feinden gehören die Frösche. Wenn einer von ihnen einmal zuviel von unserer Sorte gefressen hat - leider kommt das ab und zu vor -, dann fangen sogar die Frösche im Dunklen an zu leuchten. Das muß denen aber komisch vorkommen ..! Es hängt damit zusammen, daß selbst unsere Eier schon ein wenig Licht abgeben, natürlich auch die Larven und die Puppen.



Wie aber ist es möglich, daß wir leuchten können? Das wird Sie doch sicher interessieren? Im Jahre 1887 fand der Franzose Raphael Dubois im leuchtenden Schleim der Steinbohrmuschel die beiden Substanzen, die für die Lichtproduktion unbedingt nötig sind. Wenn diese miteinander reagieren, entsteht Licht. So nannte der Franzose die eine Luziferin, die andere Luziferase. Der chemische Aufbau der zweiten Substanz ist noch völlig ungeklärt. Bis heute weiß man nur, daß sie ungefähr 1000 Aminosäure- Einheiten besitzt, d.h. ihre Struktur ist hochkompliziert und ungeheuer schwierig zu erkennen. Ich kann nur staunen, welche Mühe sich der Schöpfer mit uns kleinen Wesen gemacht hat! Bei der Untersuchung der anderen Substanz, dem Luziferin, stellten amerikanische Wissenschaftler kürzlich fest, daß die Anzahl der oxidierten Luziferin-Moleküle genau der Anzahl der ausgesandten Lichtquanten entspricht. Die Energie wird also tatsächlich vollkommen in Licht umgewandelt. - Ach, ich sehe, Sie langweilen sich, aber die Sache ist tatsächlich noch viel komplizierter als ich es Ihnen erklären kann.



Ein Rollo als Lichtschalter

Da erzähle ich Ihnen zwischendurch noch etwas anderes, das Sie sicherlich nicht wissen. Haben Sie schon einmal vom Laternenfisch (Photoblepharon palpebratus steinitzi) gehört? - Nein, nicht wahr? Der ist zwar nicht mit mir verwandt, dennoch leuchtet er auch. Er erzeugt sein Licht jedoch nicht selbst, sondern bekommt es von leuchtenden Bakterien, deren Licht durch eine ähnliche chemische Reaktion wie bei mir entsteht. Ein Einzelbakterium ist so klein, daß sein Licht von Ihnen nicht wahrgenommen werden kann. Erst als Kolonie von vielen Millionen erkennen Sie sie als eine Leuchte. Die Bakterien sitzen beim Laternenfisch auf dem oval geformten Lichtorgan unterhalb der Augen. Durch ein dicht verzweigtes Netz von feinsten Blutgefäßen werden sie an dieser Stelle vom Fisch mit Energie und Sauerstoff versorgt. Außerdem installierte der Schöpfer für den Laternenfisch dort noch eine Art Rollo, eine schwarze Augenfalte, die er herunterlassen und so das Licht „ausmachen“ kann. Wenn er will, kann er damit auch Blinksignale aussenden. Des Schöpfers Ideen sind grenzenlos. Er läßt das Licht auf die unterschiedlichste Art entstehen.



Blitzende Bäume

Auch in Südasien habe ich Verwandte. Dort versammeln sich Leuchtkäfer oft zu Tausenden auf bestimmten Bäumen am Fluß und beginnen dann - genau im gleichen Takt - zu blinken. Reisende in Burma oder Thailand finden nicht genug Worte, um diesen überwältigenden Anblick zu schildern. Manchmal steht eine größere Anzahl dieser Bäume zusammen. Dann ist nicht selten jedes Blatt von einem Leuchtkäfer besetzt. Sie können sich vorstellen, wie das dann nur so blitzt! Warum sie gemeinsam blinken, hat die Wissenschaft bis heute noch nicht ermitteln können. Vielleicht will Sie der Schöpfer einfach über seine Phantasie staunen lassen?!



Prinzip Rückstrahler

Doch nun noch einmal zu mir - und dann lassen Sie mich bitte wieder fliegen. Ich muß Ihnen noch von dem wunderbaren Leuchtorgan selbst erzählen, mit dem der Schöpfer meine Angehörigen und mich ausgerüstet hat. Im Grunde besteht es aus drei Lagen von Zellen. Die unterste Schicht wird von Zellen gebildet, deren Plasma mit winzig kleinen kantigen Kristallen voll gepackt ist. Diese Kristalle wirken als Reflexionswand - vergleichbar den Rückstrahlern beim Fahrrad. Die mittlere Schicht enthält die eigentlichen Leuchtzellen. Sie sind mit rundlichen Teilchen, den Mitochondrien, angefüllt, die als Miniaturkraftwerke für die Lieferung von Energie verantwortlich sind. Diese Leuchtzellen sind besonders reichlich mit feinsten Nerven und Atemröhrchen versehen. Die dritte und äußere Schicht aber ist die Haut. Sie ist gerade an dieser Stelle durchsichtig, so daß ich mein Licht vor Mensch und Tier leuchten lassen kann.



Eisenbahn en miniature

Ich gebe zu, daß ich das nicht so effektvoll kann wie der Brasilianische Eisenbahnwurm (Phrixothrix). Bei dieser Käferlarve „glühen“ am Vorderende zwei orangefarbige Lichter. Wittert sie Gefahr, dann schaltet sie rechts und links je eine Reihe von elf grünlich leuchtenden Laternen an, so daß sie im Dunklen wie ein kleiner Eisenbahnzug aussieht.



Ich sehe nicht wie ein Eisenbahnzug aus. Mich setzen die Frauen auch nicht ins Haar, wie sie es mit meinen südamerikanischen Verwandten, den Schnellkäfern tun. Die leuchten dann abends wie Brillanten. Ich selbst kann nicht blinken, mein Licht ist auch nur einfarbig, aber dennoch preise ich meinen Schöpfer, der auch mich zu einem kleinen Wunderwerk gemacht hat. Stimmen doch auch Sie in diesen Lobpreis Gottes mit ein!



Nun lassen Sie mich aber bitte wieder fliegen - und leuchten.




Quelle: Wenn Tiere reden könnten

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